Am 21. Januar 2014 diskutierten wir in der Arena**** der Swiss Bau in Basel unter dem Titel «Wer baut die Schweiz von morgen?» die Frage, wo die Gründe für den Mangel an Nachwuchskräften liegen. Und auch am 13. Februar 2014 haben wir im Rahmen des Laufenburger Gesprächs zum Lehrlingsmangel, das von der Technischen Rundschau organisiert worden ist (http://www.technische-rundschau.ch), die Aussage «Ohne Nachwuchs keine Swissness» unter die Lupe genommen. Dabei sind wir jeweils schnell auf zwei Aspekte gestossen: erstens auf die Bedeutung des Images oder Prestiges, das Jugendliche einem Beruf zuschreiben und zweitens auf die Rolle von Berufsbezeichnungen. Solche Aspekte möchte ich in diesem Blog vertiefen. Meine These ist dabei die, dass der Imagefaktor bei der Berufswahl heutiger Jugendlicher wichtiger ist als die Tätigkeit an sich.

Wir wissen es alle: Die Zahl der Jugendlichen sinkt und wird weiter sinken. Dazu kommt, dass eine grosse Anzahl der Erwerbstätigen in den nächsten Jahren aus Altersgründen ausscheiden wird. Daraus resultiert eine Schere, die für viele Betriebe zum Problem werden dürfte: Weil der Trend zum Gymnasium ungebrochen ist, stehen der Berufsbildung immer weniger Jugendliche zur Verfügung. Um diese kleiner werdende Gruppe wird sie verstärkt kämpfen müssen.

Bekanntlich gibt es genug offene Lehrstellen. Das Problem liegt jedoch darin, dass es sich in der Regel nicht um diejenigen Lehrstellen handelt, die sich die Jugendlichen wünschen. Von ihrem Elternhaus sind sie sich gewohnt, mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt zu stehen und ihre Wünsche erfüllt zu bekommen. Deshalb geben sie die Suche nach der Traumlehrstelle nicht einfach so auf, nur weil ein anderer, für sie wenig attraktiver Ausbildungsplatz zur Verfügung stehen würde. Berufswahl heisst ja auch Suche nach der eigenen Identität. Und diese Suche ist immer mit Anerkennung bei den Gleichaltrigen (den «Peers») verbunden. Deshalb geht es bei der Lehrstellensuche auch vor allem darum, was andere über einen Beruf denken.

Aus solchen Gründen ist der Kampf der Betriebe um Jugendliche sehr unausgeglichen. Für Betriebe, welche, «Traumberufe» mit einem guten Image anbieten, ist es einfacher als für solche mit einem schlechten Image. Lehrlinge für Branchen wie Informatik, Büro und Informationswesen, Design, Druck oder Kunstgewerbe finden sich viel leichter als für das Baugewerbe, für technische Berufe oder das verarbeitende Gewerbe (Metzger, Bäcker etc.). Besonders ausgeprägt zeigt sich die Bedeutung des Image-Faktors bei den leistungsschwächeren Jugendlichen, welche eine Attestausbildung machen wollen.

Nicole Bussmann, Berufsbildungsfachfrau aus Zürich, macht die Erfahrung*, dass bei jungen Frauen vor allem solche Bereiche beliebt sind, in denen im Job ein «weisser Kittel» getragen wird (Gesundheitsberufe, Kosmetik etc.), während bei jungen Männern Berufe im Zusammenhang mit Autos (Reifenpraktiker, Automobilassistent) ein besonderes Prestige hätten. Sie würden sich die Hände gerne schmutzig machen, aber nur, weil sie von einem Auto stammen.

Welches sind die Gründe für solche Ungleichgewichte? In erster Linie, so ein Bericht des BiBB (Bundesinstituts für Berufsbildung, Bonn**), die folgenden:

Ausbildungsberufe als «Visitenkarten»: Weil Jugendliche bei der Berufswahl auch nach sozialer Anerkennung suchen, ist es ihnen wichtig, was «die Anderen» über die in Frage kommenden Berufe denken. Attraktiv sind deshalb solche Berufe, die auf «coole», reiche und geachtete Menschen schliessen lassen. Ist dies nicht der Fall, reagieren Jugendliche ablehnend oder zumindest sehr zurückhaltend auf solche Berufe.

Berufsbezeichnungen als «Hinweisschilder»: Für Jugendliche sind Berufsbezeichnungen Hinweisschilder dafür, was sie im Beruf erwarten könnte. Berufe wie «Bäcker» oder «Metzger» werden oft falsch interpretiert, mit Märchenbüchern und Kassetten ihrer Kindheit assoziiert, deshalb als hoffnungslos veraltet gehalten und gemieden.

Ausbildungsberufe in der «Scheuklappenperspektive»: Weil die Belastung der Lehrstellensuche hoch ist, versuchen Jugendliche, diese auf ein Mindestmass zu reduzieren. Deshalb konzentrieren sie sich auf eine minimale Anzahl von maximal etwa vier Berufen – eben auf diese mit dem grössten Image-Faktor.

Solche Ergebnisse provozieren die Frage: Wie könnte das Image verbessert werden? Zunächst einmal offenbar über die Medien! Denn eine andere Studie*** kommt zum Schluss, dass beliebte TV-Vorabendserien («Daily Soaps») das Image des Berufs stark beeinflussen. Da sich solche Serien jedoch fast ausschliesslich auf kreative und selbstständig ausgeübte Berufe in Dienstleistungsbereich konzentrieren und gewerbliche sowie technische Berufe kaum vorkommen, präsentieren sie eine vollkommen verzerrte Berufsrealität, mit dem Ergebnis, dass Jugendliche die gezeigten Modelle und keine anderen mit dem Image-Faktor verbinden.

Da man natürlich Medien kaum zwingen kann, ihre Serien anders zu gestalten und dadurch das gesellschaftliche Bewusstsein in kurzer Zeit zu ändern, gilt es, nach pragmatischen Lösungen zu suchen. Bisweilen gelingt eine Image-Verbesserung allein über die Veränderung der Berufsbezeichnung (z.B. vom Drechsler zum Holzhandwerker EFZ / Drechslerei; von Verkäufer zu Detailhandelsfachmann EFZ / Bewirtschaftung oder Beratung resp. von Verkaufshelfer zu Detailhandelsassistent EB). Betriebe machen nach solchen Umbenennungen teilweise die Erfahrung, dass sich die Bewerberanzahl deutlich erhöht. Andererseits zeigt sich, dass eine lediglich auf Sprachkosmetik angelegte Veränderung auch als Mogelpackung verstanden werden kann. Dies spricht sich rasch herum und kann auch gegenteilige Folgen haben, wenn Auszubildende am ersten Tag der Ausbildung feststellen, dass ihre Inhalte trotz verheissungsvollem Titel nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen.

Deshalb scheint es günstiger, die Attraktivität der Berufe anders zu stärken:

Zusammengefasst gilt das, was Herbert Rutz, Inhaber und Geschäftsführer der Femec AG in Wetzikon, am Laufenburger Gespräch gesagt hat: «Die Betriebe müssen erkennen, dass sie es sind, welche aktiv werden müssen und zwar auf eine kreative Art und Weise.» Jammern ist definitiv passé.

Literatur

*20 Minuten, 16.12.2013 http://www.20min.ch/schweiz/news/story/-Viele-Junge-haben-unrealistische-Wuensche--17556247

** Ulrich, J. G. (2006). Berufsbezeichnungen und ihr Einfluss auf die Berufswahl von Jugendlichen. Abschlussbericht. Bonn: BiBB. https://www2.bibb.de/tools/fodb/pdf/eb_23103.pdf

*** Dostal, W. & Troll, L. (2004). Die Berufswelt im Fernsehen. Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste,8, 8.12. http://doku.iab.de/ibv/2004/ibv2404_57.pdf

**** http://www.swissbau.ch/de-CH/ueber-die-swissbau/interaktiv/eventreport/2014/01/swissbau-focus-arena-bildung-fuer-die-bauwirtschaft-wer-baut-die-schweiz-von-morgen.aspx