«Neue» Väter brauchen «neue» Mütter

Vielleicht gehen die letzten zehn Jahre als Dekade der «neuen Väter» in die Geschichtsbücher ein. Alle Welt spricht heute von ihnen als den aktiven und engagierten Männern. Auch die Familienpolitik hat sie entdeckt, man denke nur an die jüngsten Diskussionen um den Vaterschaftsurlaub.

Die Figur des neuen Vaters hat somit enorme Popularität erlangt. Einerseits ist dies natürlich positiv, andererseits aber auch mit Problemen verbunden: erstens, weil der neue Vater vor allem negativ bestimmt ist und sich von der Figur des männlichen Familienernährers abgrenzen soll; zweitens, weil dabei vergessen geht, dass sich neue Väter nicht ohne neue Mütter entwickeln können. Dass dies nicht ohne Konflikte zu haben ist, wurde bisher  jedoch fast systematisch ausgeblendet.

Wenn Väter – so meine Annahme (und auch meine persönliche Erfahrung) – einen grösseren Anteil in der Familien-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit übernehmen, dann verschwinden zwar lästige Paarkonflikte darüber, wer wieviel weshalb und wann was (nicht) macht. Aber gerade die gerechtere Aufteilung der Arbeit bringt neue Probleme mit sich und zwar deshalb, weil die internen Machtverhältnisse tangiert werden. Denn es ist nach wie vor das in unserer Gesellschaft stark verankerte Bild der kompetenten Mutter, welche die Standards setzt, was unter «guter» Familien- und Hausarbeit zu verstehen ist.

Ich erinnere mich noch daran, als ich als 35-jährige Mutter mein Studium nach achtjähriger ausschliesslicher Familientätigkeit begann und mein Mann einen bemerkenswerten Teil der Haus- und Betreuungsarbeit übernahm. Endlich entlastet, endlich frei von der (fast) alleinigen Verantwortung für Haushalt und Familie! Ich fühlte mich wie neugeboren. Aber schnell merkte ich, dass meine Vorstellungen dessen, was gute Hausarbeit und Kinderbetreuung ausmacht, nicht mit denen meines Mannes übereinstimmten. Er machte vieles ganz anders und setzte andere Schwerpunkte – so dass mir manchmal fast die Haare zu Berge standen. Diese für mich neue Praxis zu akzeptieren wurde in der ersten Zeit meines Studiums zu einer grossen Herausforderung.

Wie stark somit der neue Vater in die Familien- und Hausarbeit involviert ist oder wird, ist nicht nur eine Frage seiner Bereitschaft und seines Willens, sondern ebenso abhängig von der Reaktion seiner Partnerin. Sie muss bereit sein, ihm Autonomie und Zuständigkeiten zu überlassen und auch lernen, die eigenen Einflusszonen herunterzufahren. Viele Mütter sind sich gar nicht bewusst, wie sehr sie sich an ihre Standards klammern und selbstverständlich davon ausgehen, dass sie vom Partner zu übernehmen sind. Dieses kulturelle Muster der Mutter als Besserwisserin ist in vielen jungen Familien wirkmächtig geblieben.

Inwiefern es Paaren gelingt, solche neuen Konflikte zu meistern und sich gemeinsam zu entwickeln, dürfte für die Entwicklung der Väter zentral sein. Sollen sie eine aktive und engagierte Vaterschaft nicht nur betreiben wollen, sondern auch betreiben können, dann müssen ihnen die Mütter nicht nur eine ebenbürtige Position zugestehen. Sie müssen auch andere Vorstellungen darüber akzeptieren, was gute Familien- und Hausarbeit ist. Auf die Dauer werden sich Väter nicht mit der Position des Praktikanten oder Juniorpartners begnügen.

Wenn Väter somit nicht eine logischerweise unvollkommene Imitation ihrer Partnerinnen bleiben sollen, sind sie auf neue Mütter angewiesen. Weil es das eine ohne das andere nicht gibt, brauchen wir eine andere Anerkennungsordnung zwischen ihnen. Das Profil ist zwar noch undurchsichtig, aber es könnte in die Richtung gehen, wie dies Jürg Willi* im NZZ-Interview vom 15. März 2014 mit Alan Niederer umschreibt. Willi spricht von «Koevolution», der Kunst gemeinsamen Wachsens. Übertragen auf neue Väter und neue Mütter würde dies bedeuten, dass Entwicklung nie isoliert nur bei sich selbst geschehen kann, sondern immer nur am Du.

«Persönliche Beziehungen sind das Wichtigste.». http://www.nzz.ch/aktuell/zuerich/uebersicht/persoenliche-beziehungen-sind-das-wichtigste-1.18263391

 

 

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