Dinosaurier Dads in Chefetagen. Ihre negativen Auswirkungen auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Männer mit anspruchsvollen Karrieremöglichkeiten heissen High Potentials. Wer beliebig verfügbar und hochmotiviert ist, sich in der knapp bemessenen Freizeit im Fitnessstudio aufhält und nicht schnell nach Hause gehen muss, um Windeln zu wechseln, gilt immer noch als Laufbahnmodell und als Prototyp männlicher Berufsidentität. Dies zeigt sich auch in den Prinzipien des Total Quality Managements, welches in vielen Betrieben zu einer sognannt partizipativen Unternehmenskultur geführt hat. Partizipativ meint meistens, dass Mitarbeitende lernen sollen, wie man schnell und effizient Entscheidungen fällen, flexibler werden und mehr Arbeit in kürzerer Zeit erledigen kann.

Karrieren werden nach 17 Uhr entschieden

Viele Firmen verlangen eine klare Fokussierung auf den Beruf. Solche Betriebskonventionen erschweren es Männern mit Familie, sich von Erwartungen abzugrenzen, etwa sich von Abendkonferenzen mit der Begründung abzumelden, die Kinder vor dem Schlafengehen noch sehen zu wollen. Gerade Kaderleute erfahren immer wieder, dass Karrieren nach 17 Uhr entschieden werden, beim Apéro, Networking, an Abend-Meetings und an Come-Together-Veranstaltungen.

Es ist somit stark dem Zufall überlassen, ob man eine Personalchefin hat, welche der Vereinbarkeitsproblematik Rechnung trägt und diese in die Unternehmensstrategie einbaut oder einen Personalchef, der vor ähnlichen familiären Herausforderungen steht wie seine Mitarbeitenden – und dies auch zugibt.

Wenn der Chef ein Mann alter Schule ist ...

Zwar gelten familienfreundliche Arbeitszeiten in Stellenausschreibungen als attraktiv, doch bleiben sie im Arbeitsalltag oft weitergehend eine Floskel. Wenn die Personalabteilung ein solches Modell vorsieht, doch der Chef ein Mann alter Schule ist, eine strikte Anwesenheitskultur pflegt und selbst seine Familie nur selten sieht, dann dürfte es mit Sicherheit Umsetzungsprobleme geben. Es erstaunt deshalb kaum, dass gerade solche Arbeitgeber oft finanzielle Anreize setzen, damit Männer nicht Teilzeit arbeiten wollen. 45 Prozent der Männer gaben in der Allensbach Studie* von 2015 an, dass Arbeitgeber ihnen Steine in den Weg legen.

Der Wunsch nach Teilzeitarbeit als Risiko

Die oft gehörte Kritik, Männer seien zu zaghaft und zu wenig willensstark, um für eine Reduktion der Berufstätigkeit und mehr Flexibilität am Arbeitsplatz zu Gunsten der Familie zu kämpfen, greift zu kurz. Denn der Wunsch nach Teilzeitarbeit kann zu einem Risiko mit nicht absehbaren Folgen werden. Zwar gibt es Leuchttürme, und auch der Druck der Gleichstellungspolitik auf die Unternehmen sowie der Mangel an qualifizierten Fachkräften führen zunehmend zu einem Umdenken.

Betriebe würdigen das familiäre Engagement von Vätern viel zu wenig

Trotzdem bleiben familienfreundliche Massnahmen zu oft Lippenbekenntnisse, weil sie nur in den Köpfen einzelner oder im Firmenleitbild vorhanden sind. Eine selbstverständliche Realität lässt auf sich warten. Gemäss der Studie Erfolgsfaktor Familie** sagen zwar zwei von drei Unternehmen, sie hätten familienfreundliche Massnahmen im Angebot. Doch gibt es eine deutliche Kluft zwischen der Selbsteinschätzung der Betriebe und der Einschätzung durch die Mitarbeitenden, die einen enormen Verbesserungsbedarf in dieser Hinsicht sehen. Hinter der Tatsache, dass durchschnittlich nur jeder zweite Vater bestehende familien- respektive männerfreundliche Leistungen in Anspruch nimmt, verweisen somit nicht nur auf die immer wieder erwähnten traditionellen Rollenbilder, sondern vor allem auch auf fehlende individuelle und flexibel anwendbare Angebote.

Insgesamt mangelt es an Vielem: an einer Unternehmenskultur, welche das familiäre Engagement von Männern als Selbstverständlichkeit versteht; an betrieblichen Massnahmen, die so angelegt  werden, dass Männern daraus keine Nachteile erwachsen und an betriebsinternen Kommunikationsstrategien, welche die bestehenden familienfreundlichen Angebote systematisch bekannt machen.

Wenn sie von den Betrieben nicht genügend transparent gemacht und empfohlen werden, bleiben sie logischerweise unbekannt und ungenutzt. Schliesslich fehlen sehr oft Angebote, die nicht nur familien-, sondern vor allem auch väterfreundlich sind und zu ihren Bedürfnissen passen (und nicht nur zu denen ihrer Partnerinnen).

Weiterführende Literatur

*Institut für Demoskopie Allensbach (2014). Weichenstellungen für die Aufgabenteilung in Familie und Beruf. Untersuchungsbericht zu einer repräsentativen Befragung von Elternpaaren im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Berlin: Institut Allensbach.

**Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2014). Erfolgsfaktor Familie. Einschätzung von Personalverantwortlichen zur Väterorientierung in deutschen Unternehmen. Zentrale Ergebnisse einer Befragung von 1‘700 Personenverantwortlichen zur strategischen Bedeutung und Entwicklungstrends  der Väterförderung. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Die Lüge der Quality Time
Mach schon, wir haben keine Zeit!
 

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