Nur erzogene Kinder erwünscht! Dürfen Restaurantbetreiber Kinder aussperren?

Kürzlich war ich beruflich in Berlin tätig. Eine Kollegin erzählte mir dabei, dass es immer mehr Restaurants gäbe, welche Kinder aussperren würden. Zwar ist mir diese Tatsache bereits aus anderen Ländern bekannt, wo Restaurants mit dem Schild «No Kids allowed» deutlich machen, welche Klientel sie wollen. Offenbar kommt diese Bewegung nun auch zu uns. Die Wirte, so meine Kollegin, seien meist zufrieden mit ihrer Aktion, vor allem Kinderlose würden vermehrt kommen und «kinderfreie Zonen» seien wirtschaftlich erfolgreich.

Zwar kenne ich in der Schweiz nur sehr wenige Restaurants, in denen Kinder unerwünscht sind. Aber die Diskussionen in Blogs, Briefkästen von Elternzeitschriften und in Tageszeitungen zeigen, dass das Thema auch hierzulande ein heisses Eisen ist. Ist es Ausdruck einer wachsender Kinderfeindlichkeit? Sind Kinder tatsächlich nur noch erwünscht, wenn sie sich still verhalten? Und, ist «sich still verhalten» gleichzusetzen mit «gut erzogen»?

Mit Sicherheit läuft dann etwas verkehrt, wenn ein Kind mit Coupe Dänemark-Schokoladefinder die Fenster oder gar die Sitzbank des Restaurants verschmiert. Insbesondere dann, wenn die Eltern nicht einschreiten und gar so tun, als ob dies die normalste Sache der Welt sei. Wenn Restaurant-Betreiber dann eingreifen, ist dies verständlich. Denn sie haben verständlicherweise andere Interessen als Eltern. Vor allem wollen sie nicht, dass Eltern das Restaurant zur eigenen Wohnstube machen. Deshalb spricht für die Betreiber, dass sie «erzogene Kinder» wollen. Obwohl dies eine provozierende Forderung ist, Kinderhasser sind sie wohl kaum.

Andererseits spricht auch Einiges für die Eltern: Kinder gehören auch in ein Restaurant. Teil der Erziehung ist es, dass Kinder an verschiedenen Orten ‚sozialisiert‘ werden, also nicht nur zu Hause, bei der Gotte, den Grosseltern oder in der Krippe, sondern auch in der Arztpraxis, im Museum, im Schwimmbad oder im Tram. Kinder sollen die Regeln und Normen kennenlernen, welche an diesen unterschiedlichen Orten gelten.

Es wäre aber vermessen, von kleinen Kindern zu erwarten, dass sie per Knopfdruck wissen, was ein Restaurant vom häuslichen Wohnzimmer unterscheidet. Gibt man ihnen jedoch etwas Zeit, dann lernen sie schnell und intuitiv, dass es diese Unterschiede gibt, aber nur dann, wenn Eltern nicht nur «Flugbegleiter» (Jesper Juul), sondern Erzieher sind und mit Nachdruck die geltenden Normen durchsetzen. Und, wenn das Restaurant nicht zu ihrer ritualisierten Bleibe wird.

Sitzen Väter und Mütter stundenlang mit ihren Kindern im Restaurant oder im Café, dann ist dies für sie und ihre Kinder ungünstig. Wahrscheinlich signalisieren sie damit jedoch ein Bedürfnis: Vielleicht brauchen sie den Austausch mit anderen Eltern, vielleicht fällt ihnen sonst zu Hause die Decke auf den Kopf, vielleicht auch sehnen sie sich nach dem Zustand, als sie noch keine Kinder hatten und sie vollkommen frei waren. Mit Sicherheit ist dieses Sitzleder von Eltern auch ein Ausdruck dafür, dass es aktuell viel zu wenig Begegnungsräume für Familien gibt.

Das eingangs beschriebene Coupe Dänemark-Beispiel ist jedoch auch ein guter Hinweis auf die unterschiedlichen Erziehungsstile. Aus der Forschung kennen wir verschiedene Erziehungsstile, drei davon spielen bei diesem Beispiel eine Rolle. Erstens der autoritäre Erziehungsstil, der enge Kontrolle und Bestrafung ausübt. Autoritäre Eltern hätten dem kleinen Schokofinger wohl sofort eins hinter die Ohren verpasst. Zweitens der Laissez-Faire Erziehungsstil, der sich vollkommen an den Bedürfnissen des Kindes orientiert. Obiges Beispiel entspricht ihm vollkommen, denn die Eltern reagieren gar nicht auf die Kleckerei des Kindes und sind insgesamt vielleicht sogar stolz auf seine Kreativität. Das angemessene Verhalten wäre der autoritative Erziehungsstil. In unserer westlichen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft gilt er als derjenige, welche einer guten Erziehung am meisten förderlich ist. Dieser Erziehungsstil nimmt die Bedürfnisse des Kindes ernst, zeigt ihm Wärme, Wertschätzung und Anerkennung, formuliert aber ganz klare Regeln und Normen, die eingehalten werden müssen. Der kleine Schokofinger wäre somit sofort, aber liebevoll in seinem Tatendrang unterbunden worden und die Eltern hätten sich beim Restaurantbetreiber entschuldigt.

Ein solches autoritatives Verhalten bedingt jedoch – und dies fällt heute vielen Eltern schwer – dass sie bereit sein müssten, in einen Konflikt mit dem Kind zu treten und es zurechtzuweisen, vielleicht gar zu strafen, wenn es die Regeln nicht befolgt – und auch zu ertragen, dass es dann vielleicht unglücklich ist. All dies erfordert Geduld, Gelassenheit und auch Zeit. Und diese ist heute ein knappes Gut.

Meines Erachtens wäre es jedoch verfehlt, wie dies immer wieder geschieht, alle Eltern einfach an den Pranger zu stellen und von einer allgemeinen «Erziehungskatastrophe» zu sprechen. 70% der Eltern leisten im Allgemeinen sehr viel und fast alle wollen das Beste für ihr Kind. Man muss sie deshalb unterstützen, ihre erzieherische Rolle als Autorität einzuhalten.

Eltern dürfen ihre Kinder uneingeschränkt toll finden und ihrem Kind Liebe entgegenbringen, aber ohne Schuldgefühle. Sie sollten ihm gegenüber aber auch kritisch sein und ihm Grenzen aufzeigen, die immer und überall gelten – und dabei konsequent bleiben. Dann müsste es eigentlich möglich sein, dass wir auch in Restaurants oder Cafés ein «Generationenhaus» bleiben können…

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Kommentare 2

Gäste - Andrea Mordasini, Bern am Montag, 07. Oktober 2013 08:26

Guten Tag

Als Mutter zweier eher wilder, lebhafter und neugieriger Kinder macht mich diese kinderfeindliche Entwicklung/Tendenz sehr nachdenklich und traurig zugleich . Wie sollen Kinder denn überhaupt die gesellschaftlichen Regeln und Normen ausserhalb der eigenen vier Wände lernen, wenn sie aus Hotels und Restaurants verbannt werden? Dass wir unsere beiden Kinder nicht zwingend überall hin mitschleppen, ist für uns jedoch selbstverständlich. Am liebsten sind wir dort, wo wir als Familie, also inkl. der Kinder, herzlich willkommen sind. Aus Rücksicht auf unsere Kinder verzichten wir auch mal auf den einen oder anderen Event oder organisieren Für einen kinderfreien Abend zu zweit auch gerne ab und zu einen Hütedienst. Doch dies entscheiden wir Eltern gerne noch selber und lassen uns nicht bevormunden und vorschreiben, was wir wann, wie und wo mit unserem Nachwuchs zu tun bzw zu unterlassen haben. So sind wir auch hin und wieder im Restaurant anzutreffen, und darunter verstehe ich nicht nur die typischen Selbstbedienungsrestaurants mit Spielecke (Coop, Migros, Manor, Ikea), sondern „normale“ mit Bedienung. Mit etwas guter Vorbereitung und etwas Improvisation - Büechlis und Malsachen nehmen wir meistens selber mit – ist der Restaurantbesuch auch gar kein Problem. Leider machte ich vor einiger Zeit gerade im Restaurant mit Spielecke eine sehr ärgerliche und kinderfeindliche Erfahrung, als einige ältere Leute sich lauthals und respektlos ab meinen und anderen etwas laut, aber sehr friedlich spielenden Kindern beschwerten und diese als Saugoofen mit Saulärm beschimpften. Darüber kann ich als Mutter nur traurig und enttäuscht den Kopf schütteln und mich für die Kinder wehren. Warum setzten sich diese Nörgler auch „Ums Verrecken“ in ein solches Lokal und dann noch ausgerechnet in die Nähe der Spielecke, wenns A) im ganzen Restaurant noch viele freie Plätze und B) im ganzen Quartier noch viele weitere Tearooms ohne Spielplatz gehabt hätte?! Ich setzte mich früher als überzeugte Nichtraucherin auch nicht extra im Zug ins Raucherabteil, um dann über die Raucher, den Gestank, den Rauch und das Nikotin abzulästern… Wie sollen Kinder und Jugendliche Respekt haben, wenn ihnen dieser wichtige Wert von den Erwachsenen im Gegenzeug nicht entgegengebracht wird? Schreiende, weinende und trotzende Kinder sind nicht per se ungezogen bzw. schlecht erzogen und deren Eltern per se mit der Kindererziehung überfordert. Einfach traurig, dass Eltern von Kindern im Trotz- und Quengelalter so oft und rasch vorverurteilt und in einen Topf geworfen werden, statt eine gerechte Chance zu kriegen. Die Motzer sollen bitte einfach bedenken, dass auch sie mal (laute) Kinder waren und nicht bereits als stille, brave, ruhige, „trockene“, lebenserfahrene und wohlerzogene Erwachsene zur Welt gekommen sind. Kinder sind und bleiben unsere Zukunft, die Gäste und Kunden von morgen und lassen sich nicht einfach wegzaubern, bloss weil sie einigen Griesgramen im Wege sind. Sie sind ein wichtiger Teil dieser Gesellschaft und gehören in unser Leben, in unseren Alltag, in unsere Welt und nicht in ein Paralleluniversum! Mit etwas mehr Mit- und Füreinander statt Gegeneinander, weniger Anfeindungen und Vorverurteilungen, dafür mehr Leben und leben lassen, mehr Toleranz, Rücksicht, Respekt, Akzeptanz, Verständnis, Geduld, Lockerheit, Gelassenheit, Hilfsbereitschaft, Anstand und gesundem Menschenverstand auf Seite der Kinderlosen und der Eltern wäre das Zusammenleben noch viel entspannter, friedlicher, gemütlicher, harmonischer und einfacher !

Freundliche Grüsse

Andrea Mordasini

Guten Tag Als Mutter zweier eher wilder, lebhafter und neugieriger Kinder macht mich diese kinderfeindliche Entwicklung/Tendenz sehr nachdenklich und traurig zugleich :(. Wie sollen Kinder denn überhaupt die gesellschaftlichen Regeln und Normen ausserhalb der eigenen vier Wände lernen, wenn sie aus Hotels und Restaurants verbannt werden? Dass wir unsere beiden Kinder nicht zwingend überall hin mitschleppen, ist für uns jedoch selbstverständlich. Am liebsten sind wir dort, wo wir als Familie, also inkl. der Kinder, herzlich willkommen sind. Aus Rücksicht auf unsere Kinder verzichten wir auch mal auf den einen oder anderen Event oder organisieren Für einen kinderfreien Abend zu zweit auch gerne ab und zu einen Hütedienst. Doch dies entscheiden wir Eltern gerne noch selber und lassen uns nicht bevormunden und vorschreiben, was wir wann, wie und wo mit unserem Nachwuchs zu tun bzw zu unterlassen haben. So sind wir auch hin und wieder im Restaurant anzutreffen, und darunter verstehe ich nicht nur die typischen Selbstbedienungsrestaurants mit Spielecke (Coop, Migros, Manor, Ikea), sondern „normale“ mit Bedienung. Mit etwas guter Vorbereitung und etwas Improvisation - Büechlis und Malsachen nehmen wir meistens selber mit – ist der Restaurantbesuch auch gar kein Problem. Leider machte ich vor einiger Zeit gerade im Restaurant mit Spielecke eine sehr ärgerliche und kinderfeindliche Erfahrung, als einige ältere Leute sich lauthals und respektlos ab meinen und anderen etwas laut, aber sehr friedlich spielenden Kindern beschwerten und diese als Saugoofen mit Saulärm beschimpften. Darüber kann ich als Mutter nur traurig und enttäuscht den Kopf schütteln und mich für die Kinder wehren. Warum setzten sich diese Nörgler auch „Ums Verrecken“ in ein solches Lokal und dann noch ausgerechnet in die Nähe der Spielecke, wenns A) im ganzen Restaurant noch viele freie Plätze und B) im ganzen Quartier noch viele weitere Tearooms ohne Spielplatz gehabt hätte?! Ich setzte mich früher als überzeugte Nichtraucherin auch nicht extra im Zug ins Raucherabteil, um dann über die Raucher, den Gestank, den Rauch und das Nikotin abzulästern… Wie sollen Kinder und Jugendliche Respekt haben, wenn ihnen dieser wichtige Wert von den Erwachsenen im Gegenzeug nicht entgegengebracht wird? Schreiende, weinende und trotzende Kinder sind nicht per se ungezogen bzw. schlecht erzogen und deren Eltern per se mit der Kindererziehung überfordert. Einfach traurig, dass Eltern von Kindern im Trotz- und Quengelalter so oft und rasch vorverurteilt und in einen Topf geworfen werden, statt eine gerechte Chance zu kriegen. Die Motzer sollen bitte einfach bedenken, dass auch sie mal (laute) Kinder waren und nicht bereits als stille, brave, ruhige, „trockene“, lebenserfahrene und wohlerzogene Erwachsene zur Welt gekommen sind. Kinder sind und bleiben unsere Zukunft, die Gäste und Kunden von morgen und lassen sich nicht einfach wegzaubern, bloss weil sie einigen Griesgramen im Wege sind. Sie sind ein wichtiger Teil dieser Gesellschaft und gehören in unser Leben, in unseren Alltag, in unsere Welt und nicht in ein Paralleluniversum! Mit etwas mehr Mit- und Füreinander statt Gegeneinander, weniger Anfeindungen und Vorverurteilungen, dafür mehr Leben und leben lassen, mehr Toleranz, Rücksicht, Respekt, Akzeptanz, Verständnis, Geduld, Lockerheit, Gelassenheit, Hilfsbereitschaft, Anstand und gesundem Menschenverstand auf Seite der Kinderlosen und der Eltern wäre das Zusammenleben noch viel entspannter, friedlicher, gemütlicher, harmonischer und einfacher :)! Freundliche Grüsse Andrea Mordasini
Gäste - monica schurter am Montag, 06. September 2021 18:35

was soll die Aufregung ? Es gibt 1000ende von Restaurants in denen Eltern mit Kinder konsumieren könnt... Gesunder Menschenverstand wäre: geht doch einfach dort hin .....

Ich finde es wunderbar, ohne Kindergeschrei in Ruhe essen zu können.

was soll die Aufregung ? Es gibt 1000ende von Restaurants in denen Eltern mit Kinder konsumieren könnt... Gesunder Menschenverstand wäre: geht doch einfach dort hin ..... Ich finde es wunderbar, ohne Kindergeschrei in Ruhe essen zu können.
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