Talentmanagement des Alter(n)s

Talentmanagement des Alter(n)s

Innenminister Alain Berset will das Pensionsalter auf 65 Jahre erhöhen. Der Verwaltungsratspräsident des Lebensversicherers Swiss Life, Rolf Dörig, rechnet mit einem künftigen Pensionsalter in der Schweiz ab 70 Jahren. Zudem plädiert er für die Flexibilisierung des Rentenalters. Sind das gute oder schlechte Nachrichten?

Sicher schlechte für alle, welche sich auf das 'Dritte Lebensalter' freuen und die Rente ab 60 eingeplant haben. Doch, ist es eine gute Nachricht für all diejenigen, welche länger arbeiten wollen und künftig vielleicht auch dürfen? Ich will in diesem Blog versuchen, zwei Perspektiven voneinander zu unterscheiden. Die erste Perspektive ist die, dass eine Erhöhung des Rentenalters und seine Flexibilisierung nicht genügen. Die zweite Perspektive orientiert sich an den optimistischen Erkenntnissen aus der Forschung zu den Schätzen des Alter(n)s, welche in unserer Gesellschaft bisher weitgehend brach liegen und gehoben werden könnten.

Diese beiden Perspektiven zusammenzubringen ist jedoch ein schwieriges Unterfangen. Zum einen geht es um die demographische Entwicklung unserer Bevölkerung im internationalen Vergleich, zum anderen um das Wissen zum individuellen Innovationspotenzial im Alter respektive beim Altern. Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Schweizer Bevölkerung mehr altert als die Bevölkerung in anderen Staaten. In wenigen Jahren werden wir ein deutliches Mehr an Alten und ein deutliches Weniger an Jungen haben. Dazu kommt, dass andere Staaten – wie etwa die USA – führend sind in der Anzahl zugewanderter Topstudenten, insbesondere solcher aus dem asiatischen Raum. Ihr Innovationspotenzial an jungen Menschen wird somit deutlich höher sein als das unsrige. Das ist somit ein Risikofaktor.

Obwohl uns künftig der Nachwuchs fehlen dürfte, gibt es auch positive Signale aus der Forschung. Diese Signale gehen in Richtung einer hoffnungsvollen körperlichen und intellektuellen Entwicklung im dritten Alter (nicht jedoch im vierten Alter). Das Lern- und Wissenspotenzial älterer Menschen ist beispielsweise deutlich grösser als man bisher angenommen hat. Obwohl sie nicht mehr so gut und so schnell wie Jüngere lernen können, verfügen sie somit über ein beträchtliches Entwicklungspotenzial. Dazu kommt das, was oft die Vitalisierung des Alters genannt: Die heutigen 70jährigen sind genauso fit wie die 60jährigen der vergangenen Generationen. Man schaue nur einmal, was wie fit die legendären Sauterelles von Toni Vescoli sind, die es mit 70 noch einmal wissen wollen. Vor diesem Hintergrund wäre die Forderung gerechtfertigt, die Altersstatistiken neu zu schreiben.

Daraus jedoch zu schliessen, der Mensch könne einfach im gleichen Beruf länger, also beispielsweise bis 70, tätig sein, ist falsch. Aus der verhaltenswissenschaftlichen Forschung gibt es nämlich Erkenntnisse, welche  viel stärker berücksichtigt werden müssten. Erstens gibt es einen negativen Altersgradienten in der Mechanik der Intelligenz, also der Schnelligkeit und Präzision der Informationsverarbeitung. Dazu kommt zweitens, dass der alternde Körper in jedem Falle – auch wenn Anti Aging angewendet wird – mehr an geistigen Reserven braucht. Demzufolge werden ältere Mitarbeitende – auch wenn sie höchst motiviert sind – langsamer; sie können nicht mehr so flexibel denken und haben zunehmend Schwierigkeiten mit Multi Tasking. Im Durchschnitt verliert der Mensch ab dem 40. Altersjahr etwa 1% bis 2% seiner Schnelligkeit und Präzision. Es gibt aber auch Bereiche, die im Alter weiterentwickelt werden können, z.B. Klugheit, Ausdauer oder Besonnenheit. In diesen ist der alternde Mensch den Jüngeren oft überlegen.

Sicher ist, dass die Lebensarbeitszeit ein wichtiges Reformthema sein muss, vor allem aufgrund der Tatsache, dass immer mehr Menschen immer früher aus dem Erwerbsleben aussteigen und sich früh pensionieren lassen, obwohl sie körperlich und geistig fit sind. Aber meines Erachtens ist es falsch, dass wir weiterhin auf unser traditionelles System setzen, das Menschen am angestammten Arbeitsplatz alt werden lässt und von ihnen verlangt, dass sie zukünftig einfach noch ein paar Jahre anhängen oder gar ausharren. Wenn wir etwas aus der Forschung lernen können, dann dies: dass Alter(n) sowohl Abbau als auch Entwicklung, sowohl Gewinn als auch Verlust, ist. Daraus folgt, dass ein Umsteigen auf neue, solchen Tatsachen gerecht werdende Berufe möglich werden muss. Wieso beispielsweise könnte ein Banker mit 50 Jahren nicht seine sozialen Begabungen entwickeln, eine Weiterbildung absolvieren, um dann vielleicht eine Kinderkrippe leiten zu können? Vielleicht sind solche Berufe dann weniger prestige- und einkommensträchtig, aber eher den verfüg- und  entwickelbaren Kompetenzen angepasst und mit einer neuen Zukunft versehen. Ein so verstandenes Talenbtmanagement ist jedoch eine präventive Aufgabe von Betrieben, die lange vor dem Zeitpunkt des geplanten Ausstiegs oder Verbleibs zum Tragen kommen muss.

Mein Fazit: Das Alter(n) birgt sowohl für das Individuum als auch die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen in einer globalisierten Welt des Wettbewerbs ungeahnte Schätze, die zu heben einer anderen Strategie bedürften als lediglich die Diskussion und Einführung eines erhöhten Rentenalters.  

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